Regensburg

Briefwechsel 2003

Institut für Kunst und Forschung,     26.03.2003

Herrn Bischof
Dr. Gerhard Ludwig Müller
Niedermünstergasse 1
93047 Regensburg

Sehr geehrter Herr Müller,

am Regensburger Dom befindet sich eine antijüdische Hohnskulptur, eine sog. „Judensau“ aus dem 14. Jahrhundert. Dieses steinerne Dokument einer menschenverachtenden und gewalttätigen Geschichte des Christentums symbolisiert eine Tradition in Deutschland, die im Auschwitzsystem und dem Mord an Millionen europäischen Juden kulminierte. Das christliche Schmähwort „Judensau“, das mit einigem Recht als christliche Sauerei bezeichnet werden kann, wurde zu einem stehenden Begriff, den die deutschen Antisemiten und Nazis nur noch zu übernehmen brauchten.

Dieses Zeugnis des mörderischen deutschen Antisemitismus, ist in Regensburg – öffentlich und unkommentiert - zu sehen; ebenso wie in 25 weiteren deutschen oder ehemals deutschen Kirchen. Nur in Wittenberg wurde eine Tafel am Boden hinzugefügt, die eine Distanzierung vom niederträchtigen Geist dieser Skulptur enthält.

Weder in dem am Dom erhältlichen Kirchenführer noch am Ort der Verhöhnung selbst gibt es in Regensburg ein öffentliches Zeichen des Bedauerns, der Distanzierung oder der Entschuldigung.

Sicher handelt es sich nicht um ein Kunstwerk wie jedes andere und es bedarf dringend einer sehr gut überlegten Stellungnahme auch der christlichen Kirchen dazu – gerade in einer Zeit, in der antisemitische Übergriffe in Deutschland zunehmen.

Gibt es dazu konkrete Planungen in der Kirchengemeinde oder im Bistum?

Wir sind daran sehr interessiert, da wir uns um eine Übersetzung des Buches von Isaiah Shachar „The Judensau. A Medieval Anti-Jewish Motif and Its History.“ bemühen, das mit einem Überblick ergänzt werden soll, wie sich Menschen und Institutionen heute dazu verhalten. Wir werden darüber auch bei einer Tagung des deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Erfurt berichten.

Unser Anliegen ist es, die Diskussion, die Information und die Bereitschaft zu eindeutigen öffentlichen Stellungnahmen anzuregen.

Außerdem schlagen wir Ihnen eine öffentliche Veranstaltung zu diesem Thema und die Einrichtung eines dauerhaften Denkzeichens mit Information, Kommentar und Distanzierung an der Kirche vor.

Wir hoffen auf Ihre Zustimmung und Unterstützung und würden uns über eine Zusammenarbeit freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner           Günter Wangerin




Briefwechsel 2005

Institut für Kunst und Forschung,     30. März 2005

Herrn Generalvikar
Dr. Wilhelm Gegenfurtner
Niedermünstergasse 1
93047 Regensburg

„Judensau“-Skulptur am Regensburger Dom

Sehr geehrter Herr Gegenfurtner,

im März d.J. wurde am Regensburger Dom eine Tafel zur dortigen „Judensau“-Skulptur angebracht.

Wir hatten mehrfach und zuletzt auch durch eine öffentliche Kunstaktion auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Tafel mit einem gut formulierten und unmissverständlich distanzierenden Text dort anzubringen. So sehr wir es daher begrüßen, dass nun endlich eine Tafel angebracht wurde, erscheint der Text uns und vielen anderen kompetenten Personen als völlig unzureichend.

Weder enthält er eine Bemerkung zu dem furchtbaren historischen Kontext von Ausgrenzung, Erniedrigung, Vertreibung, Raub und Mord, noch finden sich klare Worte der Verantwortlichkeit für die Geschichte sowie der Schlussfolgerung daraus für Gegenwart und Zukunft. Der Regensburger Text ist ausdruckslos und missverständlich. Es kann der Eindruck entstehen, als solle damit um Verständnis für den Jahrhunderte währenden Judenhass geworben werden. Das leider bestehende Problem des heutigen Antisemitismus wird einfach geleugnet.

Bei verschiedenen Gesprächen in anderen Städten, welche die Last ähnlicher Skulpturen haben, fanden wir dagegen sehr viel bessere und klare Formulierungen.

Bei der Pressekonferenz in Regensburg wurde der Text als „Kompromiss“ bezeichnet. Bessere Formulierungen würden zu langatmig.

Die notwendigen Aussagen einer solchen Tafel, die einen symbolischen Wert hat und Ausdruck einer geistigen und moralischen Haltung ist, lassen sich aber in sehr wenige Worte und unmissverständliche Worte fassen. Wir haben dazu einen Vorschlag erarbeitet, den wir gerne bei den vorbereitenden Gesprächen eingebracht hätten. Von unserem wiederholten Angebot wurde aber kein Gebrauch gemacht.

Die jetzige Tafel sollte so keinesfalls bleiben. Sie muss dringend im o.g. Sinn. verändert werden.

Wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner