An einem Wandpfeiler außen am Südeingang des Regensburger Doms befindet sich eine Steinskulptur aus dem 14. Jahrhundert, die drei Menschen im Umgang mit einem Schwein zeigt. Die Skulptur gehört zum Typus der antijüdischen Schmähdarstellungen, die von Isaiah Shachar unter dem Titel "The Judensau" katalogisiert wurden.
Antisemitische Hohnskulptur
am Regensburger Dom
Institut für Kunst und Forschung, 17. Mai 2004
Künstler fordern unmissverständliche Distanzierung von der sog. „Judensau“-Skulptur. Bischöfliches Ordinariat denunziert Künstler bei der Polizei, bedauert nichts und findet Information „kontraproduktiv“.
Im April 2003 schrieben wir an das Domkapitel und an das bischöfliche Ordinariat in Regensburg und regten an, bei der judenfeindlichen Skulptur am Regensburger Dom eine Informationstafel anzubringen, die eine klare Distanzierung von dem menschenfeindlichen Ungeist des katholischen Judenhasses enthält.
Sowohl vom Generalvikar des Bischofs, Dr. Wilhelm Gegenfurtner, als auch vom Weihbischof Vinzenz Guggenberger erhielten wir Antwortschreiben, in denen mit keiner Silbe das Bedauern und eine Distanzierung erklärt wurden. Stattdessen wurden wir an das staatliche Hochbauamt verwiesen. Weihbischof Guggenberger versuchte in seinem Schreiben die katholische Kirche von jeder Schuld reinzuwaschen und verstieg sich dabei zu dem Satz „Vertreter der Katholischen Kirche waren auch von den Nazis verfolgt, wie die Angehörigen des jüdischen Volkes.“ Diese Gleichsetzung widerspricht allen historischen Tatsachen. Es scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass wenn es schon um Volkszugehörigkeit geht - die verfolgten Juden Angehörige des deutschen Volkes waren. Ist diese verbale Ausgrenzung nur ein lapsus linguae?
Das Staatliche Hochbauamt schwieg zunächst.
Erst als nach unserer Aktion bei der sog. „Judensau“ in Cadolzburg der bayerische Finanzminister dort eine Tafel anbringen ließ und wir dies im Januar 2004 dem Hochbauamt mitteilten, erhielten wir ein Schreiben. „Der Umgang mit der Darstellung der sog. ‚Judensau’ war bereits in der Vergangenheit Gegenstand von Erörterungen“ zwischen dem Freistaat und dem Domkapitel. „Wir werden Ihr Schreiben zum Anlass nehmen, diese Thematik neuerlich zu diskutieren.“ Vom Kultusministerium erhielten wir die Auskunft „Die Angelegenheit wird in unserem Hause noch geprüft.“
Es geht angesichts eines offenbar zunehmenden Antisemitismus darum, sich endlich eindeutig zu erklären und zu handeln. Für Erörterungen und Prüfungen in Ämtern und Ministerien war mehr Zeit als genug. Herausgekommen ist bisher nichts dabei.
Um diese hinhaltende Drückebergerei zu beenden, begannen wir am Sonntag, den 16. Mai 2004 um 11.00 Uhr eine Kunstaktion vor dem Regensburger Dom. Bei unseren Interventionen an anderen Saustellen zeigte sich, dass insbesondere junge Menschen das unfeine Schweigen der Verantwortlichen unerträglich finden und ntweder die Entfernung dieser steinernen Hetzbilder verlangen oder zumindest eine distanzierende Erklärung.
Davor fürchtet sich das bischöfliche Ordinariat und versuchte, die Kunstaktion und die öffentliche Diskussion zu verhindern. Die Polizei wurde alarmiert und mit falschen Informationen versehen. Wir würden den Gottesdienst stören wollen, eine ungenehmigte Versammlung abhalten und eine Tafel anbringen.
Nein das sollen nach unserer Auffassung die verantwortlichen kirchlichen und staatlichen Stellen tun! Wir hängten uns Tafeln um mit der Aufschrift „Judensau am Regensburger Dom“, informierten Passanten, Touristen und Kirchenbesucher in Gesprächen und mit einem Informationsblatt. Schon das wollten die anwesenden staatlichen (oder kirchlichen?) Uniformträger verhindern.
Bei entsprechenden Aktionen in Köln, Nürnberg, Heilsbronn und Cadolzburg hatten wir nie Probleme mit den Ordnungskräften. In Regensburg aber scheint noch das Mittelalter zu herrschen
Das bischöfliche Ordinariat denunzierte uns bei der Polizei ganz offenbar in der Absicht, uns zum Schweigen zu bringen. Ach hätten sie doch noch die Möglichkeit, mit Folter und Scheiterhaufen für Ordnung zu sorgen sie täten’s wohl.
Wir schwiegen nicht und fanden viel Interesse und Zustimmung bei Jung und Alt.
An der Kirchenmauer hing ein Transparent „Kommt und seht!“
Als wir das schwer auszusprechende Wort aus der christlichen Tradition der Hetze auf das Pflaster schreiben und einen Pfeil an der Mauer nach oben ziehen wollten damit zu sehen ist, was die katholischen Generäle und Vikare nicht antasten wollen - sprang ein Polizist herbei und beschlagnahmte nach dem ersten Buchstaben Pinsel und Farbe um sie dem Staatsanwalt zu überbringen. Wegen Sachbeschädigung von Granitpflaster mit wasserlöslicher Farbe. So steht also nur ein großes „J“ auf dem Kopfsteinpflaster.
Laut Verfassung ist die Kunst auch in Bayern frei. In Regensburg ist das vielleicht noch nicht allen geläufig. Kein Wunder bei so viel mittelalterlichen Fassaden. Da kann es schon mal passieren, dass etwas Mittelalter auch in dem einen oder anderen Kopf fort lebt. Auch der Herr Generalvikar Gegenfurtner scheint noch nicht in der Gegenwart angekommen zu sein. Der hat immer noch nicht verstanden, dass es nach Auschwitz und bei anwachsendem Antisemitismus - allmählich an der Zeit wäre, sich ganz souverän und öffentlich in klaren Worten von der katholischen Hetze gegen Juden zu distanzieren und öffentlich Bedauern auszudrücken über die Mitverantwortung der Kirche für die Ermordung von Millionen europäischer Juden.
Der Herr Generalvikar findet das „kontraproduktiv“. Er scheint produktiv gar nichts zu bedauern. Das ist mehr als bedauerlich.
Der Regensburger Dom wird aber auf unsere Kosten erhalten. Also wird die bayerische Staatsregierung dafür sorgen müssen, dass die kirchlichen Hetzbilder nicht unkommentiert bleiben. Selbst wenn das dem Herrn Bischof und seinem General Gegenfurtner nicht passen sollte. Auch in Cadolzburg wurde auf unsere Intervention hin vom Bayerischen Finanzminister eine Information bei der dortigen Sauerei angebracht. Wir bieten unsere Unterstützung bei der Formulierung des Textes für eine Tafel am Regensburger Dom an.
Wolfram P. Kastner Günter Wangerin
Aktion von Wolfram Kastner und Günter Wangerin
vor dem Regensburger Dom am 16. Mai 2004