Köln - Briefwechsel


Offener Brief

Institut für Kunst und Forschung


Herrn Dompropst
Dr. Bernhard Henrichs
Margarethenkloster 5
50667 Köln

"Judensau" im Kölner Dom - Offener Brief


Sehr geehrter Herr Dr. Henrichs,

sicher haben Sie von der Aktion und WegSehStörung des Künstlers Wolfram Kastner gestern vor dem Kölner Dom gehört und gelesen.

Die vielen erstaunten, aufmerksamen und zustimmenden Reaktionen insbesondere von jungen Menschen auf diese Aktion bestärken uns in dem Anliegen, die Geschichte und Wirkung der "christlichen" antijüdischen Hetze und ihrer Relikte in und an deutschen Kirchen offen zu legen und sich davon zu distanzieren. Leider zeigte die Dombaumeisterin Frau Prof. Dr. Schock-Werner bisher keinerlei Bereitschaft, darüber auch nur nachzudenken. Vielmehr neigt sie dazu, durch Wegsehen und allerlei Ausflüchte die Sache zu unterdrücken.

Sie findet die Diskussion darum "geschmacklos".

Welchen Geschmack aber hinterließ und hinterlässt das in christlichen Kirchen entstandene Wort "Judensau" bei den damit geschmähten und verletzten Menschen sowie bei den Verantwortlichen der Katholischen Kirche heute? Wie vertragen sich dieser Begriff und die so benannten kirchlichen Hohnbilder mit den Werten des christlichen Glaubens heute?

Sehen Sie, sehr geehrter Herr Dr. Henrichs, darin wirklich nur ein - äußerst wertvolles - Kunstwerk, dessen diffamierender Inhalt unbeachtet bleiben könnte?

Glauben Sie, dass diese fatalen Hohnbilder, die unter anderem in mörderischen Verfolgungen der Juden durch Christen und später deutschen Nazis sich auswirkten, ausgeglichen würden durch ein Bildnis Salomons im Kölner Dom?

Mit wenigen Ausnahmen plädieren alle vor dem Dom befragten Jugendlichen, Schüler, in- und ausländische Besucher und Passanten für eine deutliche, sichtbare und lesbare Stellungnahme zu diesen niederträchtigen Spottbildern, wie sie sich in 25 Kirchen und auch im Kölner Dom befinden. Häufig wurde die berechtigte Frage gestellt, warum das bisher nicht geschehen sei.

Mit Wegsehen, kunsthistorischem Formalismus und persönlichen Angriffen sind die antijüdische Geschichte des Christentums und der unter anderem auch daraus folgende Antisemitismus sicher nicht zu erledigen.

Wer den heute wieder aufkeimenden Antisemitismus nicht offen oder heimlich fördern will, muss klare Worte zu seiner Geschichte und Wirkung finden, nicht nur in vereinzelten Sonntagsreden, sondern konkret an den Orten, wo sich Menschen aufhalten, aufnahmebereit und nachdenklich sind. Wir können und mögen uns nicht vorstellen, dass sich die Katholische Kirche in Köln dem verweigern will.

Wir wollen in jedem Fall unsere Verantwortung für eine menschliche Gegenwart und Zukunft - ohne Hetze und Jagd auf Menschen - übernehmen und denken gerne mit Ihnen und allen Interessierten gemeinsam darüber nach, wie man das entwürdigende Relief der "Judensau" im Kölner Dom öffentlich behandeln sollte.

In diesem Sinne freuen wir uns auf Ihre Antwort und einen Dialog.


Mit freundlichen Grüßen


Wolfram P. Kastner          Carl Blauhorn



Brief vom Dombauamt

METROPOLITANKAPITEL
DER HOHEN DOMKIRCHE KÖLN

Dombauverwaltung
Roncalliplatz 2 D-50667 Köln

Herrn
Wolfram P. Kastner
Institut für Kunst und Forschung
Trivastr. 7
D-80637 München

Köln, den 10. Juni 2002

Judensau im Kölner Dom

Sehr geehrter Herr Kastner, sehr geehrter Herr Blauhorn,

da Herr Dompropst Henrichs zur Zeit in Urlaub ist, werde ich Ihnen antworten, auch wenn die letztgültige Entscheidung selbstverständlich bei ihm bleibt. Die Darstellung der "Judensau" im Köln Dom findet sich an einer Wange im Chorgetühl. Sie ist also anders als es offenbar Ihre Informationen beinhalten, nicht aus Stein, sondern aus Holz. Das Relief ist Teil des um 1310 entstandenen Chorgestühls aus Eiche und kann auch aus diesem nicht herausgelöst werden. - Es handelt sich um ein überaus wertvolles Kunstwerk, das insgesamt zu schützen und auf keinen Fall zu beschädigen ist. Viel wichtiger in Ihrem Zusammenhang scheint mir aber, daß es sich nicht um eine öffentliche Darstellung handelt. In diesen Bereich des Binnenchores kommen Dombesuche nicht, selbst jene Gruppen, denen erlaubt ist, in den Binnenchor zu kommen um den Schrein und den Hochaltar zu sehen, sind etliche Meter entfernt und können das Relief nicht sehen. Es wird auch darauf nicht hingewiesen. Auch wenn wir an Ort und Stelle eine Hinweistafel anbringen würden, würde diese niemand von den Besuchern lesen können. Wir haben aber im Dom auch eine etwa zwei Meter hohe Steintafel, eine Urkunde aus dem Jahre 1266, die einen Erlaß des Kölner Erzbischofs zum Schutz der in Köln lebenden Juden festhält. Diese Dokumentation zurn Leben der Juden in Köln ist frei zugänglich in der Kreuzkapelle aufgestellt und in jedem Führer verzeichnet. Einen besonderen Hinweis darauf wird es aber auch dort nicht geben, denn für uns ist der Dom Kirche und nicht Museum, Beschriftungen der Objekte möchten wir daher nicht.

Ich hoffe, damit Ihre Frage ausreichen beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift

Prof. Dr. Barbara Schock-Werner
Dombaumeisterin



Brief an den Papst

Institut für Kunst und Forschung

V00120 Città del Vaticano
Palazzo apostolico
Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI

Antijüdische Schmähskulpturen in Deutschland

Eure Heiligkeit,

wir wählen den ungewöhnlichen Weg einer Kontaktaufnahme mit Ihnen, weil Sie in Deutschland aufgewachsen sind und hier an maßgeblicher Stelle die kirchliche Lehre vertraten, vor allem deren theologische Grundsätze. Als Kirchenlehrer haben Sie Ihre ganze Autorität eingesetzt und auf viele Menschen eingewirkt, für die das Wort des Vorsitzenden des Kardinalskollegiums einen sehr hohen Stellenwert hat. Umso mehr, so dürfen wir annehmen, haben Sie heute großen Einfluss auf alle Menschen katholischen Glaubens, vor allem aber auf Bischöfe, Priester und Kirchenvorstände.

Damit sind wir bei unserem Anliegen: der Kommentierung antijüdischer Schandskulpturen (so genannte „Judensau“) an katholischen und evangelischen Kirchen. Dass es in Deutschland viele solcher Bildwerke gibt, ist Ihnen sicher bekannt. Uns ist sogar die Neuinstallierung einer solchen Skulptur als Ersatz für eine stark beschädigte bekannt geworden (Bad Wimpfen 1994).

Seit mehreren Jahren treten wir dafür ein, dass in unmittelbarer Nähe dieser steinernen oder hölzernen Bildwerke Tafeln mit einem deutlich distanzierenden Text angebracht werden.

Im Gespräch mit Kirchenverantwortlichen stellten wir fest, dass sich auf unsere Initiative hin zwar etwas bewegte (z.B. in Regensburg und Erfurt), eine solche Kommentierung aber durchaus nicht selbstverständlich ist und dass es offenbar sehr schwer fällt, die richtigen Worte zu finden.

Dies in dem Land, das Auschwitz zu verantworten hat.

Insgesamt ist der Umgang mit den heute noch existierenden „Judensau“-Skulpturen von großer Unsicherheit und Widersprüchen gekennzeichnet. Am Regensburger Dom wurde eine Tafel angebracht, die uns typisch erscheint für eine gewisse Neigung zur Historisierung, zum Vermeiden einer Wertung. Von der Schuld der Kirchen und der für sie daraus erwachsenden Pflicht, gegen Ausgrenzung und Verfolgung Andersgläubiger und Andersdenkender alles in ihrer Macht Stehende zu tun, ist darauf kein Wort zu finden.

Im Fall des Doms von Erfurt hat man auf einem Faltblatt zwar eindeutig und in klarer Form Stellung bezogen, der Besucher der Kirche bekommt den Text aber erst auf Nachfrage.

(Auf ähnliche Tendenzen in der evangelischen Kirche möchten wir hier nicht eingehen).

Wie denken Sie darüber, Eure Heiligkeit?

Wäre es angesichts eines sich ausbreitenden Antisemitismus nicht notwendig, eindeutig und unmissverständlich öffentlich Stellung zu beziehen zu Judenfeindschaft, Ausgrenzung und insbesondere Antisemitismus? Und wäre demnach die Anbringung kommentierender Tafeln in der Nähe antijüdischer Bildwerke nicht eine Konsequenz aus dem päpstlichen Bekenntnis zur Schuld der Kirche gegenüber den verfolgten und ermordeten Juden?

Ein klares Wort von Ihnen in dieser Angelegenheit wäre sicher vielen eine große Hilfe und würde manche Unsicherheit zu überwinden helfen. Gerade im Hinblick auf die von Ihnen gewünschte Verbesserung der Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Juden könnte ein solcher Schritt ein deutliches Zeichen sein.

Wir weisen darauf hin, dass beim Zentralrat der Juden in Deutschland „großer Handlungsbedarf“ gesehen wird und dass wir beim Koordinierungskreis der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit viel Zustimmung und Unterstützung für das Anliegen fanden. Außerdem wird das Projekt aus Mitteln der Bundeskulturstiftung gefördert. Wir planen, noch in diesem Jahr eine Dokumentation über den heutigen Umgang mit diesen erhaltenen Zeugnissen des Judenhasses herauszugeben. Darin sollen auch Stellungnahmen von kompetenten Personen und Gremien der Kirchen abgedruckt werden.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Zeit fänden, uns zu antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner Günter Wangerin



Brief an den Papst

Institut für Kunst und Forschung


Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI
V00120 Città del Vaticano
Palazzo apostolico

Antijüdische Schmähskulptur im Kölner Dom
Hakenkreuze am Kölner Dom

Eure Heiligkeit,

mit Ihrem Besuch der Kölner Synagoge haben Sie ein Zeichen gesetzt, das hoffentlich vielen ein Anlass zu neuem Nachdenken sein wird.

Sie wissen möglicherweise, dass es im Kölner Dom eines jener judenfeindlichen obszönen Hetzbilder gibt, in denen sich die schändliche Haltung der christlichen Kirche gegenüber den Juden ausdrückt, eine sog. „Judensau“ im Chorgestühl.

Wir hatten vor drei Jahren mit einer Kunstaktion auf dieses Relief aufmerksam gemacht – mit der Zielsetzung, dass im Kölner Dom zumindest eine Stellungnahme angebracht werde, die eine unmissverständliche Distanzierung, eine Art Schuldbekenntnis und eine Erklärung enthält, dass man heute allen Anzeichen eines Antisemitismus sich entgegenstelle. Notwendig wäre es außerdem, dass diese Skulptur in gedruckten offiziellen Kirchenführern mit einem entsprechenden Kommentar erwähnt und ein Faltblatt dazu in mehreren Sprachen im Dom aufgelegt wird.

Leider wurde dies in Köln bis dato vollständig verweigert, ja von der Dombaumeisterin als „geschmacklos“ bezeichnet, wogegen sie die „Judensau“ nicht als geschmacklos empfand sondern zu einem wichtigen deutschen Kunstwerk erklärte.

Wir dürfen Sie bei dieser Gelegenheit außerdem darauf aufmerksam machen, dass sich am Kölner Dom mehrere in Stein gemeißelte Hakenkreuze befinden – aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, als man es in der Dombauhütte offenbar als geschmackvoll betrachtete, die Schlusssteine bei Renovierungsmaßnahmen nicht nur mit der Jahreszahl sondern auch mit dem Hoheitszeichen des NS-Staates zu versehen.

Wir wären Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie die Kölner Katholiken beraten und ihnen auf einen guten Weg helfen könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner Carl Blauhorn