Zerbst

An der Ruine der Nikolaikirche in Zerbst befindet sich ein sehr gut erhaltenes Steinrelief, das eine Sau darstellt, an deren Zitzen zwei an spitzen Hüten als Juden erkennbare Männer saugen. Ein Mann untersucht den After der Sau und einer hält ihren Kopf. Das Relief befindet sich an einem Strebepfeiler an der Nordostseite des Chores in einer Höhe von ca. 4,5 Metern. Sie stammt laut Shachar vermutlich aus der Zeit zwischen 1446 und 1448.

Eine weitere sog. „Judensau“-Darstellung befindet sich im Museum der Stadt. Sie war an einem geschnitzten gotischen Balken eines Wohnhauses am Markt 16.



Antisemitische Hohnskulptur







Antisemitische Hohnskulptur im Museum






Protokoll

Unsere Briefe an die Pfarrer und den Gemeindekirchenrat sowie den Förderkreis St. Nikolai, in denen wir anregten, eine Tafel mit einem erklärenden und distanzierenden Text anzubringen wurden abschlägig beantwortet. Dabei berief man sich sowohl auf die rechtsextreme Szene als auch auf eine angebliche Gefahr der Zerstörung durch „Souvenirsammler oder Leute, die meinen das Antisemitismusproblem dadurch zu lösen, indem sie das störende Objekt zerstören. Außerdem besteht die erhöhte Gefahr der Zerstörung, wenn eine besondere Kennzeichnung vorhanden ist, durch elementaren Vandalismus oder Besudelung durch Sprayer.“ Einerseits wird die Figur als „heutzutage nur noch schwer verständliche sinnbildliche und damit erklärungsbedürftige Darstellung“ bezeichnet. Andererseits wird behauptet: „Schriftlicher Erklärungen bedarf es dazu notwendigerweise vor Ort nicht.“, weil die Ruine ein anschauliches Beispiel dafür sei, „wo zügelloser Nationalismus und Rassenwahn neben industrieller fließbandmäßiger Liquidierung von Menschen auch hinführt“.

Unmittelbar neben der Kirche befinden sich ein stark frequentierter öffentlicher Spielplatz und eine Wohnanlage.

Bei Führungen werde, wenn notwendig darauf eingegangen, „zumeist aber interessieren sich die Besucher für den Innenraum, die Türme und das historische Geläute.“

Weder der Kirchenpräsident noch die Evangelischen Kirche Anhalts noch der Präses der Synode fanden Anfragen bezüglich des Umgangs mit der judenfeindlichen Hassskulptur einer Antwort wert.

In der Literatur wird die Skulptur erwähnt als ein eines der „ältesten Zeugnisse der Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und des Antisemitismus, der in unserem Jahrhundert zu einem grausamen Höhepunkt gelangte.“ (Heike Derscheid, Die Stadtkirche St. Nikolai zu Zerbst).

Evtl. wird zusammen mit dem Museum eine Tagung zum Thema stattfinden können. Eine Aktion an der Kirchenruine könnte notwendig werden.