Cadolzburg

Beschreibung

Am äußeren Burgtor der Cadolzburg befindet sich ein Sandstein-Relief mit der Darstellung einer sog. "Judensau" aus der Zeit zwischen 1380 und 1480. Mit einem Format von ca. 100 x 120 cm ist dies die größte Skulptur dieser Gattung. Sie zeigt durch spitze Hüte als Juden gekennzeichnete Menschen, die an den Zitzen einer Sau saugen und den After küssen. Das Relief ist durch Verwitterung stark beschädigt.

Hohnskulptur

Antisemitische Hohnskulptur



Cadolzburg, Lage der "Judensau"-Skulptur am Burgtor

Erst als Reaktion auf die Aktion von Wolfram Kastner und Günter Wangerin im Juli 2003 wurde vom Finanzministerium eine kommentierende Tafel angebracht, deren Text allerdings keine eindeutige Distanzierung aus heutiger Sicht noch Worte des Bedauerns oder ein Bekenntnis zur (verfassungsgemäßen) Akzeptanz aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Beruf oder Religion, enthält.

Aktion



Aktion von Wolfram Kastner und Günter Wangerin vor der Cadolzburg
mit Faltblättern, Schildern und Schriftzug "Judensau" mit Pfeil

Mit einem weißen Schriftzug vor dem Burgtor, Tafeln und Informationsblättern machten wir (Wolfram P. Kastner und Günter Wangerin) am 26. Juli 2003 um 11.00 Uhr auf den unverminderten Skandal aufmerksam und forderten eine Tafel mit einer Erläuterung und einer unmissverständlichen Distanzierung. Dies wird bisher vom Freistaat Bayern verweigert, der die Cadolzburg für 40 Millionen Euro mit Stahlbeton wieder aufbaut und mit Sandstein kaschiert. Angesichts von über 2000 antisemitischen Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr wäre es aber notwendig, eindeutige Zeichen dagegen zu setzen. Die meisten Passanten stimmten dem zu.

Nachdem wir von einem Cadolzburger, der unser Anliegen positiv aufgenommen hatte, erfuhren, dass am Samstag Abend ein Konzert ("Das Treffen in Cadolzburg") in der Burg stattfindet, setzten wir unsere Aktion um 18.00 Uhr vor dem Burgtor fort.

Der Oberbürgermeister von Cadolzburg (Bernd Obst, CSU) erschien mit der Kulturbeauftragten Frau Ines Kloke und forderte uns auf, die Aktion abzubrechen, da wir das Konzert stören würden. Da das Konzert aber erst um 19.00 Uhr - etwa 200 Meter entfernt von der Sau-Skulptur im inneren Burghof begann, sahen wir dazu keinen Anlass. Eine Störung konnte gar nicht stattfinden. Herr Obst behauptete uns gegenüber, wir befänden uns auf "Privatgrund" (die Burg ist aber Eigentum des Freistaates Bayern und nicht des Cadolzburger Bürgermeisters) und wir dürften vor dem Burgtor deshalb gar nicht stehen.

Viele Besucher des Konzertes sowie Interpreten des Konzerts zeigten sich dagegen sehr interessiert an Informationen über die antijüdischen "Sau-Skulpturen" und reagierten positiv auf unser Anliegen oder bedankten sich für unser Engagement.

Ein Mitglied des Heimatvereins Cadolzburg erklärte, er wolle anregen, dass sich der Cadolzburger Heimatverein damit befasst und sich für eine Tafel mit einer Erläuterung und unmissverständlichen Distanzierung von der antijüdischen Spottskulptur einsetzt.

Hingegen ließ der Landtagsabgeordnete Günther Gabsteiger (CSU) gegen die Künstler und Jugendliche aus Cadolzburg solch qualifizierte Bemerkungen fallen wie "Ihr seid's ja hinrissig!", "Hampelmänner" und "Arschloch". Zu einem sachlichen und offenen Gespräch war der Volksvertreter offenbar nicht in der Lage.

Als wir unsere Aktion beendet hatten, fuhren zwei Polizeiwagen mit insgesamt 4 Beamten vor, fotografierten die Bodenschrift und vernahmen Zeugen. Sie waren nach eigener Auskunft vom Bürgermeister verständigt worden. Am Sonntag Morgen löschte die Feuerwehr den Schriftzug "Judensau" weg. Damit wird die Diskussion unnötiger Weise auf eine andere Ebene verschoben. Aufgrund der Anzeige des Bürgermeisters ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Als ob es nicht auch anders ginge. Niemand kam bei der Aktion zu Schaden und die Schrift wird ohnehin durch Witterung und Abrieb verschwinden.

Faltblatt vom Institut für Kunst und Forschung

Cadolzburger Sauerei

Am äußeren Burgtor der Cadolzburg bei Nürnberg befindet sich eine antijüdische Hohnskulptur, eine sog. "Judensau" aus dem 15. Jahrhundert. Dieses steinerne Dokument der menschenverachtenden und gewalttätigen christlichen deutschen Geschichte symbolisiert eine Tradition in Deutschland, die im Auschwitzsystem und dem Mord an Millionen europäischen Juden kulminierte. Das christliche Schmähwort "Judensau", das mit einigem Recht als christliche Sauerei bezeichnet werden kann, wurde zu einem stehenden Begriff, den die deutschen Antisemiten und Nazis selbstverständlich übernehmen konnten.

Dieses Zeugnis des mörderischen deutschen Antisemitismus, der leider fortbesteht, ist noch immer – öffentlich unkommentiert - zu sehen; ebenso wie in 28 deutschen oder ehemals deutschen Kirchen. Nur in Wittenberg wurde eine Tafel am Boden hinzugefügt, die eine Distanzierung vom niederträchtigen Geist dieser Skulptur enthält. In etlichen Städten wurden in Phasen der Liberalisierung solche Skulpturen entfernt (z.B. in Salzburg), weil man sich von dem inhumanen christlich-fundamentalistischen Geist distanzierte.

Sowohl die Bayrische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sowie die Bayerische Staatsregierung haben wir angeregt, eine öffentliche Kommentierung und Distanzierung im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des gesamten Burg vor dem Burgtor anzubringen. Die Anregung blieb unbeantwortet.

Angesichts des sich ausbreitenden Antisemitismus und der antisemitischen Gewalttaten ist es aber dringend erforderlich, dass sich auch und gerade die Bayerische Staatsregierung und die Verwaltung davon und von der antijüdischen Geschichte öffentlich und deutlich distanzieren, um die Wahrnehmung und die Sensibilität zu diesem Thema anzuregen.

Wir führen mit dieser Zielsetzung eine öffentliche Kunstaktion durch
am Samstag, 26. Juli um 11.00 Uhr an der Cadolzburg,
zu der wir Sie herzlich einladen.

Außerdem schlagen wir die Einrichtung einer dauerhaften Denkstätte mit Information, Kommentar und Distanzierung unmittelbar vor der Cadolzburg vor.

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Wolfram P. Kastner      Günter Wangerin


Kritik am Text der Tafel

Die Tafel wurde nach unserer Aktion (2003) und einem langwierigen Prozess im April 2004 auf Anweisung des Bayerischen Finanzministers Prof. Dr. Kurt Faltlhauser angebracht.

Falsch ist die Berufsangabe „vor allem als Geldhändler und Verleiher“. Das erweckt den Eindruck, als solle damit um Verständnis für die Diffamierung geworben werden. Was soll der Satz „Sie ist Dokument ...“ Wofür wird damit heute um Verständnis geworben? Mit dem Relief sollte nicht eine judenfeindliche Politik der Burggrafen kundgetan werden, sondern es wurden Menschen verächtlich gemacht und Tieren gleichgestellt, die man auch töten darf . Auch in Cadolzburg bestand im 14. Jahrhundert keine bürgerliche sondern eine feudale christlich orientierte Gesellschaft. Drei mal wird das Wort "Judensau" benutzt, einmal sogar ohne Anführungszeichen.

Der Text enthält keine eindeutige Distanzierung aus heutiger Sicht noch Worte des Bedauerns oder ein Bekenntnis zur (verfassungsgemäßen) Akzeptanz aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Beruf oder Religion.

Der Text ist an vielen Stellen unpräzise, enthält Abschweifungen, Wiederholungen und ist voll Wortballast. Z.B. im ersten Satz: hinweisen ist immer „demonstrativ“.

Der Text muss dringend überarbeitet und sollte auch ins Englische übertragen werden, da - z.B. zu den international besetzten Konzerten in der Burg - Besucher aus aller Welt kommen.<

Pressespiegel: Süddeutsche Zeitung

Vorläufiges Ende einer historischen Schweinerei

Die "Judensau" an der fränkischen Cadolzburg erhält nun doch eine erläuternde Hinweistafel – gegen den Willen der meisten Lokalpolitiker.
(....)
Die Anordnung Faltlhausers ist der späte Erfolg eines Happenings. Im Sommer 2003 wurde das Münchner "Institut für Kunst und Forschung" in Cadolzburg aktiv. Wolfram P. Kastner und Günter Wangerin verteilten vor dem Burgtor Informationsblätter, brachten ein Transparent an und sprühten "Judensau" auf das Kopfsteinpflaster. Ähnliche Aktionen fanden in Heilbronn, Nürnberg und Köln statt. Doch in Cadolzburg war die Ablehnung besonders massiv: Als "Trittbrettfahrer", "Selbstdarsteller" und "Hampelmänner" wurden die beiden beschimpft. Ermutigt von der ministeriellen Entscheidung, wollen Wangerin und Kastner jetzt in Regensburg mit ihren Interventionen fortfahren.

Eine Vielzahl von Verleumdungen enthält das schlimme Motiv: Juden werden intimer Handlungen mit einem Tier bezichtigt, das ihnen als unrein gilt. Ihre Religion wird in die Nähe der "Sauerei" gerückt und erhält den Makel des Unvernünftigen, ja Perversen. Die Nationalsozialisten wussten solche Argumentationshilfen zu schätzen und führten Schulklassen zu den Skulpturen. Der Zentralrat der Juden hält eine Kommentierung für "dringend notwendig".

Die Frage nach der richtigen Beschriftung wird noch für manchen Streit sorgen: In welchen Worten erklärt man das Ungeheuerliche, ohne sich am Abnormen zu berauschen? Wie distanziert man sich von einem winzigen Teilbereich der Kirche, ohne nicht zugleich für diese "Besonderheit" zu werben? Denkbar immerhin ist, dass die neuen Tafeln auch altbekannte, ungebetene Gäste anlocken werden.

ALEXANDER KISSLER

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 8. Januar 2004, Feuilleton, Seite 11


Pressespiegel: Fürther Nachrichten

Info-Tafel erläutert das Schmäh-Relief

Finanzminister Kurt Faltlhauser reagierte damit auf Protestaktion auf der Cadolzburg

CADOLZBURG - Die Mitarbeiter des Münchner Institutes für Kunst und Forschung hatten mit ihrer Protestaktion Erfolg: In Kürze wird neben dem "Judensau-Relief“ an der Cadolzburg eine Tafel angebracht, in der die Bedeutung der mittelalterlichen Schmähskulptur erläutert wird.

Der bayerische Finanzminister und oberste Chef der Schlösserverwaltung im Freistaat reagierte damit auf eine Forderung, die die beiden Institutsmitarbeiter Wolfram Kastner und Günter Wangerin bei einer Protestkundgebung Ende Juli vergangenen Jahres erhoben hatten. Begleitet von teilweise heftigen Wortwechseln mit örtlichen Politikern und Passanten hatten sie darauf hingewiesen, dass an der Cadolzburg völlig unkommentiert die größte so genannte "Judensau“ in Deutschland angebracht ist.

Das aus der Entstehungszeit der Hohenzollernburg stammende Relief - gefertigt möglicherweise zwischen 1380 und 1480 und angebracht an der Vorburg, an der im Mittelalter Markt abgehalten wurde - zeigt Juden, die an den Zitzen einer Sau saugen und den After küssen.

In einem Schreiben an die beiden Mitarbeiter des Institutes für Kunst und Forschung betonte Faltlhauser, im Konzept für das Deutsche Burgenmuseum, das nach dem Wiederaufbau der Cadolzburg hier einziehen soll, sei auch eine Erläuterung des Reliefs geplant gewesen. Da man aber nicht absehen könne, wann mit der Eröffnung des Museums gerechnet werden kann, habe er veranlasst, "dass von der Schlösserverwaltung sofort eine Informationstafel bei dem Relief angebracht wird“.

Seit Jahren schon machen die beiden Institutsmitarbeiter auf die gegen die Juden gerichteten Spottdarstellungen aus dem Mittelalter aufmerksam. Rund 25 derartige Reliefs gibt es derzeit noch in Deutschland. Sie finden sich nicht nur an Burgen, sondern vor allem auch an Kirchen, darunter am Kölner und am Regensburger Dom, im Spalter Chorherrenstift, an der Stadtkirche von Bayreuth und an der Sebalduskirche in Nürnberg.

Die Protestaktion im Sommer war in Cadolzburg bei der Gemeindeverwaltung durchaus auf Verständnis gestoßen. Sowohl Bürgermeister Bernd Obst als auch die Kulturbeauftragte des Marktes, Ines Kloke, fanden es durchaus legitim, auf das antijüdische Spottbild hinzuweisen und eine öffentliche Distanzierung zu fordern. Nicht passend fanden beide indes den gewählten Zeitpunkt: ein gut besuchter Konzertabend. Der Bürgermeister holte deshalb auch die Polizei, um die "Demonstration aktenkundig zu machen“. Auf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs oder Sachbeschädigung wurde freilich verzichtet.

Die erläuternde Tafel, die jetzt auf Anordnung von Faltlhauser angebracht ist, ist durchaus auch im Sinne des Zentralrates der Deutschen Juden mit Sitz in Berlin. "Eine Kommentierung der antijudaistischen Skulpturen ist dringend notwendig“, so Kulturreferentin Adina Stern in einem Brief.

GERHARD LAUCHS

Quelle: FÜRTHER NACHRICHTEN vom 8. Januar 2004